Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe bei Gericht beantragen
Allgemeine Informationen
Wenn Sie sich ein Gerichtsverfahren nicht leisten können, bekommen Sie unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe. Eventuell müssen Sie die durch die Prozesskostenhilfe übernommenen Kosten wieder an den Staat zurückzahlen.
Gerichtsverfahren sind oft kostenpflichtig. Sie können Prozesskostenhilfe (PKH) beantragen, wenn Sie die Prozesskosten nicht zahlen können. In bestimmten Verfahren wird die Prozesskostenhilfe auch Verfahrenskostenhilfe (VKH) genannt (im Folgenden gleichbedeutend als Prozesskostenhilfe - PKH bezeichnet).
Ihnen kann Prozesskostenhilfe vom Gericht mit oder ohne Zahlungen gewährt werden. Sie müssen höchstens 48 Monatsraten zahlen.
Zusätzlich zu der bewilligten Prozesskostenhilfe kann Ihnen auch auf Antrag eine anwaltliche Vertretung beigeordnet werden. Die Anwältin oder den Anwalt können Sie sich selbst aussuchen.
Sie müssen Prozesskostenhilfe für jedes Verfahren extra beantragen, also auch für die Zwangsvollstreckung beziehungsweise für jede Instanz (zum Beispiel Amtsgericht und Landgericht).
ACHTUNG! Die Bewilligung gilt nur für Ihren Anteil an den Kosten. Wenn Sie der gegnerischen Partei Kosten erstatten müssen, sind Sie durch die Prozesskostenhilfe nicht geschützt. In diesem Fall haben Sie die gegnerischen Kosten zu bezahlen.
Wenn Sie einen isolierten PKH-Antrag stellen, reicht dieser im Einzelfall möglicherweise nicht aus, um Fristen zu wahren.
Voraussetzungen
Sie erhalten Prozesskostenhilfe, wenn
- Sie bedürftig sind,
- Ihre beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Aussicht auf Erfolg hat und
- Ihr rechtliches Vorgehen nicht mutwillig ist.
Bedürftigkeit
Sie sind bedürftig, wenn Sie die Kosten des Verfahrens nicht selbst zahlen können. Bei der Antragstellung müssen Sie über Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft geben und diese nachweisen. Für die Kosten müssen Sie vorrangig Ihr Einkommen und Vermögen einsetzen. Sie haben keinen Anspruch auf die Hilfe, wenn eine Versicherung oder eine andere Stelle die Kosten übernimmt. Das können zum Beispiel sein:
- eine Rechtsschutzversicherung
- eine Haftpflichtversicherung im Rahmen der Abwehr von Schadenersatzansprüchen
- ein Mieterverein
- eine Gewerkschaft
Aussicht auf Erfolg
Nach Einschätzung des Gerichts dürfen nicht nur geringe Aussichten auf Erfolg vorliegen. Dazu erstellt das Gericht eine Prognose.
Keine mutwillige Prozessführung
Bevor Sie den Antrag stellen, sollten Sie überlegen, ob Sie auch gerichtlich vorgehen würden, wenn Sie die Kosten selbst bezahlen müssten.
Kostenvorschuss für Unterhaltsberechtigte
Prozesskostenhilfe wird Ihnen nicht gewährt, wenn folgende Personen aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflichten für die Kosten aufkommen müssen:
- Ihre Ehegattin / Ihr Ehegatte
- Ihre eingetragener Lebenspartnerin / Ihr eingetragener Lebenspartner oder
- bei einem unverheirateten Kind ein Elternteil oder die Eltern
Auf Antrag regelt das Familiengericht die Kostenvorschuss-Pflicht durch einstweilige Anordnung.
Verfahrensablauf
Antragstellung
Prozesskostenhilfe müssen Sie beantragen. Den Antrag können Sie selbst stellen oder von einer Rechtsanwaltin oder einem Rechtsanwalt einreichen lassen. Die Beiordnung einer anwaltlichen Vertretung müssen Sie ausdrücklich beantragen.
Die Beantragung erfolgt
- schriftlich bei dem zuständigen Gericht,
- zu Protokoll der Rechtsantragstelle des Gerichts oder
- elektronisch über dieses Online-Portal (siehe -> Onlineantrag).
- Dem Antrag fügen Sie das ausgefüllte Formular "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" bei.
- Machen Sie alle Angaben wahrheitsgemäß und genau und stellen Sie die erforderlichen Nachweise zusammen.
- Geben Sie den Streitgegenstand und Ihre Beweismittel an.
Sollten Sie bei der Antragstellung Hilfe benötigen, können Sie sich an die Rechtsantragstelle des Gerichtes oder an die von Ihnen beauftragte anwaltliche Vertretung wenden.
Prüfung
Das Gericht prüft Ihren Antrag.
Gegebenenfalls fordert das Gericht von Ihnen weitere Unterlagen an.
Erforderliche Unterlagen
- Formular "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" (über Rechtspfleger, beratende Anwälte oder als Online-Formular in Amt24)
- Dem Antrag fügen Sie das ausgefüllte Formular "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" bei.
- Machen Sie alle Angaben wahrheitsgemäß und genau und stellen Sie die erforderlichen Nachweise zusammen.
- Geben Sie den Streitgegenstand und Ihre Beweismittel an.
Fristen
Die Bewilligung gilt immer nur für die jeweilige Instanz. Für anschließende Verfahren müssen Sie Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe jeweils neu beantragen. Das gilt auch für Fälle wie
- Vollstreckung eines Urteils nach einem gewonnenen Prozess,
- Berufung oder Beschwerde nach einem verlorenen Prozess (Frist für Antragstellung: Zeitraum für das Einlegen von Rechtsmitteln beim Berufungs- oder Beschwerdegericht),
- Berufungs- oder Beschwerdeverfahren auf Veranlassung Ihres Prozessgegners
Kosten (Gebühren)
- Gerichtskosten: keine
- Anwaltskosten: gegebenenfalls
Anwaltskosten können eventuell anfallen, wenn Ihre Anwältin oder Ihr Anwalt Sie nur im Bewilligungsverfahren vertritt, nicht aber in dem Verfahren, für das Sie Prozesskostenhilfe beantragen. Die Gebühren hängen vom Wert des Verfahrens ab, für dass Sie Prozesskostenhilfe beantragen (konkrete Angabe nicht möglich).
Hinweise (Besonderheiten)
Beratungs- und Prozesskostenhilfe für Verfahren
in anderen EU-Mitgliedstaaten
Prozesskostenhilfe können Sie auch für zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeiten beantragen, die Sie in einem anderen EU-Mitgliedstaat - außer Dänemark - führen müssen, weil Ihr Gegner dort wohnt oder seinen ständigen Aufenthalt hat. Die entsprechende Bedürftigkeit vorausgesetzt, können Sie einen Antrag an die dortigen Behörden richten.
Ob Ihnen Hilfe bewilligt wird, richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem über die Rechtssache entschieden wird. Bei der Antragstellung unterstützt Sie das Amtsgericht, das für Ihren Wohnort in Deutschland zuständig ist.
Antragstellung
Den Antrag auf Prozesskostenhilfe in einem anderen EU-Mitgliedstaat erhalten Sie beim Amtsgericht, das für Ihren Wohnort zuständig ist oder online in Amt24 (Formulare & Online-Dienste).
Im Amtsgericht wird geprüft, ob der Antrag vollständig ist und die nötigen Anlagen beigefügt sind. Das Amtsgericht lässt die notwendigen Übersetzungen anfertigen und übermittelt den Antrag der zuständigen Stelle im Staat des Prozessgerichts.
Kosten
Diese Leistungen sind in der Regel kostenlos, allerdings müssen Sie Auslagen wie Übersetzungskosten erstatten, falls
- Sie den Antrag später zurückziehen,
- die Übermittlung des Antrags in den Staat des Prozessgerichts abgelehnt wird oder
- Ihnen im betreffenden EU-Staat keine Prozesskostenhilfe gewährt wird.
Für Ihren grenzüberschreitenden Antrag auf Prozesskostenhilfe und auch im Hinblick auf eine außergerichtliche Streitbeilegung in dem anderen EU-Staat (Ausnahme: Dänemark) können Sie bei Bedarf auch Beratungshilfe beantragen.
Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland
Im Anwendungsbereich des Auslandsunterhaltsgesetzes (AUG) ist für Entgegennahme und Übermittlung von Anträgen auf grenzüberschreitende Verfahrenskostenhilfe im Freistaat Sachsen das Amtsgericht Dresden das zuständige Amtsgericht. Es gelten zum Teil niedrigere Anspruchsvoraussetzungen für die Verfahrenskostenhilfe. So kann etwa eine Person, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Verfahrenskostenhilfe unabhängig von Ihren wirtschaftlichen Verhältnissen erhalten. Unterliegen Sie jedoch in dem gerichtlichen Verfahren, kann das Gericht unter Umständen eine Erstattung der im Wege der Verfahrenskostenhilfe verauslagten Kosten verlangen.
Rechtsgrundlage
- §§ 114 bis 127 Zivilprozessordnung (ZPO) - Prozesskostenhilfe im Zivilprozess
- §§ 1360a Absatz 4, 1361 Absatz 4 Satz 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - Prozesskostenvorschussanspruch gegen Ehegatten, Lebenspartner oder Eltern
- §§ 76 bis 78, 246 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) - Verfahrenskostenhilfe in Familiensachen (außer Ehe- und Familienstreitsachen) und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit; einstweilige Anordnung zur Zahlung eines Kostenvorschusses für ein gerichtliches Verfahren
- § 11a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) - Beiordnung eines Rechtsanwalts, Prozesskostenhilfe im arbeitsgerichtlichen Verfahren
- § 142 Absatz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) - Prozesskostenhilfe im finanzgerichtlichen Verfahren
- § 172 Absatz 3 Satz 2, § 379 Absatz 3 und § 397a Strafprozessordnung (StPO) - Beistand und Prozesskostenhilfe in Strafverfahren (für durch eine Straftat Verletzte, Privatkläger und Nebenkläger)
- § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) - Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren
- § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) - Prozesskostenhilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren
- § 28 Absatz 3 Gerichtskostengesetz (GKG) - Erstattung von Auslagen
- §§ 1076 f. Zivilprozessordnung (ZPO) - Prozesskostenhilfe in der EU
- §§ 10, 10a Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (BerHG) - Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten
- §§ 20 ff. Auslandsunterhaltsgesetz (AUG) - Verfahrenskostenhilfe
- Signaturgesetz (SigG)
- Sächsische E-Justizverordnung (SächsEJustizVO)
Freigabevermerk
Sächsische Staatskanzlei, Redaktion Amt24. 01.11.2021
Zuständige Stelle
Gericht, vor dem der Rechtsstreit anhängig ist, oder jedes Amtsgericht.
Weiterführende Informationen
- Broschüre Beratungs-, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe
Sächsisches Staatsministerium der Justiz - Rechtsberatung
Ratgeber der Rechtsanwaltskammer Sachsen und des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz - Prozesskostenvorschuss des Ehe- oder Lebenspartners gerichtlich geltend machen
Amt24-Leistung